
Datum: 28.05.2025 - Lesedauer: 7 Minuten - Autor: SIGEKO IN DER REGION Redaktion
Der Gerüstbau ist ein zentraler Bestandteil vieler Bauprojekte. Bei der Erwähnung von „Gerüstbau“ denken viele sofort an die großen Fassadengerüste, die ein ganzes Gebäude umhüllen. Doch das Spektrum ist weit größer – und nicht immer ist ein klassisches Gerüst die beste oder überhaupt eine mögliche Lösung. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf verschiedene Gerüstarten, sinnvolle Alternativen wie Hubarbeitsbühnen, Personenschutznetze und Flachdach-Absturzsicherungssysteme – inklusive Sicherheitsvorgaben, die sowohl für Unternehmen als auch für Privatpersonen wichtig sind.
Gerüst ist nicht gleich Gerüst – Ein Überblick
Fassadengerüst
Fassadengerüste sind die bekannteste Variante und dienen zur Sicherung von Arbeiten an der Gebäudeaußenseite.

Hängegerüst
Diese Gerüste kommen häufig bei Brückenbauarbeiten zum Einsatz. Sie hängen von oben ab und ermöglichen so Zugang zu schwer erreichbaren Bereichen.

Bockgerüst
Bockgerüste zählen streng genommen nicht zu den klassischen Gerüsten, sondern laut den Technischen Regeln für Betriebssicherheit eher als Arbeitsmittel nach der Betriebssicherheitsverordnung. Sie bieten jedoch Stabilität für verschiedene Arbeiten.

Konsolengerüst
Diese älteren, fest verankerten Gerüsttypen finden gelegentlich noch Verwendung und sind besonders für spezielle Anwendungen geeignet.

Fahrgerüst
Fahrgerüste, häufig als fahrbare Arbeitsbühnen bezeichnet, sind mit Rollen ausgestattet und können an verschiedene Arbeitsorte bewegt werden.

Alternativen zum Gerüstbau
Trotz der Vielfalt: Manchmal ist ein Gerüst alleine nicht ausreichend – oder schlicht nicht praktikabel, etwa bei kleineren privaten Projekten. In solchen Fällen sind Alternativen gefragt.
Fahrbare Hubarbeitsbühnen
Eine fahrbare Hubarbeitsbühne ist besonders bei privaten Arbeiten – z. B. beim Streichen der Fassade – eine sinnvolle Alternative zum klassischen Gerüstbau. Sie unterscheidet sich klar von fahrbaren Arbeitsbühnen (kleineres Fassadengerüst mit Rollen) durch ihren beweglichen Arbeitskorb, der meist an einem Schwenkarm montiert ist, in große Höhen bewegt werden kann und somit flexibles Arbeiten ermöglicht.

Arten von Hubarbeitsbühnen
Es gibt verschiedene Bauarten von Hubarbeitsbühnen, darunter:
- Stempelmast-Bühnen
- Teleskopmast-Bühnen
- Scherenbühnen
- Gelenkarm-Bühnen
- Varianten: LKW-Arbeitsbühnen, Anhängerbühnen, Selbstfahrerbühnen
Typische Gefahren
Bei der Nutzung von Hubarbeitsbühnen ist es wichtig, verschiedene Sicherheitsrisiken zu berücksichtigen:
- Umsturzgefahr: insbesondere beim Befahren von Bodenöffnungen oder Absätzen.
- Absturzgefahr: durch falsches Verhalten im Arbeitskorb (Verlassen des Arbeitskorbes im angehobenen Zustand, Aufsteigen auf das Geländer), dem Hängenbleiben des Geländers an und unter Konstruktionen oder durch Kollisionen mit anderen Fahrzeugen.
- Quetschgefahr: durch Fehlbedienung und unachtsame Bewegungen.
Die BG Bau gibt in ihrem Baustein Arbeitsmittel B 212 klare Vorgaben zur Vermeidung dieser Gefahren, die eine ordnungsgemäße Benutzung der Hubarbeitsbühne sicherstellen sollen.
Darauf sollten Sie achten
- Standsicherheit gemäß Betriebsanleitung
- PSA gegen Absturz verwenden
- Klappbares Schutzgeländer vor Arbeitsbeginn in Schutzstellung bringen
- Blinkleuchten einschalten, wenn im öffentlichen Straßenverkehr gearbeitet wird
- Hubarbeitsbühne nicht überlasten
- Vor und beim Betrieb auf den einwandfreien Zustand und Wirksamkeit der Sicherheitseinrichtungen achten
Wer darf eine Hubarbeitsbühne bedienen?
Anforderungen an Bedienpersonen laut DGUV Grundsatz 308-008:
- Mind. 18 Jahre alt
- zuverlässig
- sowohl in der Bedienung der entsprechenden Hubarbeitsbühne als auch über die mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen und Schutzmaßnahmen unterwiesen
- Schriftlich beauftragt vom Unternehmer
Pflichten des Unternehmens
Neben den Anforderungen an die Bedienperson, hat auch das Unternehmen seine Aufgaben zu erfüllen. Diese sind unter anderem:
- Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisung und ein Rettungskonzept erstellen
- Die Bedienperson maschinenbezogen einweisen
- Beschäftigte mindestens jährlich oder vor jeder neuen Arbeitsaufgabe zu den besonderen Gefährdungen unterweisen
- Gegebenenfalls arbeitsmedizinische Untersuchung
Hier gibt es auch weitere Anforderungen die die BG Holz und Metall in ihrem Sicherheitshinweis „Arbeitsschutz Kompakt Nr. 056“ genauer beschrieben hat.
Prüfung und Instandhaltung einer Hubarbeitsbühne
Die BG Bau schreibt vor:
- Nur Hubarbeitsbühnen zu benutzen, die vor der ersten Inbetriebnahme von einem Sachverständigen geprüft wurden, oder bei denen die CE-Kennzeichnung angebracht ist und die Konformitätserklärung vorliegt.
- Die Art, den Umfang und die Fristen erforderlicher Prüfungen festzulegen und einzuhalten, z. B.:
→ arbeitstäglich mit Funktionsproben, oder
→ mind. 1 x jährlich durch eine "zur Prüfung befähigten Person".
- Die Ergebnisse der regelmäßigen Prüfung im Prüfbuch zu dokumentieren.
Sonderfall: Privatpersonen und Hubarbeitsbühnen
All diese Vorschriften gelten verpflichtend für Unternehmen, jedoch nicht für Privatpersonen. Grund hierfür ist, dass die Berufsgenossenschaften für versicherte Arbeitsunfälle zuständig sind. Private Unfälle sind zwar ebenso tragisch, fallen jedoch nicht in den Aufgabenbereich der BG.
Wir raten Privatpersonen trotzdem, sich so gut wie möglich an die genannten Vorgaben der BG zu halten, die Bedienungsanleitung der Hubarbeitsbühnen sorgfältig durchzulesen und dementsprechend zu handeln!
Schutznetze
Bei vielen Bauprojekten sind Schutznetze eine sinnvolle Ergänzung zum Gerüstbau oder sogar Pflicht – besonders dann, wenn das Risiko eines Absturzes nicht vollständig verhindert werden kann.

Schutznetze – Arten und Einsatz:
- Seitenschutznetze: Werden an das Gerüst angebracht, um Mensch und Material direkt vor dem Absturz zu schützen.
- Personenschutznetze oder Personenauffangnetze (System S oder T nach DIN EN 1263-1): Herunterfallende Personen werden so vor dem tiefen Fall bewahrt und vor Verletzungen geschützt. Der Einsatz von Fangnetzen ist beispielsweise beim Freileitungs- oder Hallenbau zum Schutz von Personen zwingend erforderlich.
Hinweise für den Auf- und Abbau von Schutznetzen werden in der DIN EN 1263-2 gegeben.
Was ist zu beachten?
- Nur geprüfte, dauerhaft gekennzeichnete und unbeschädigte Netze verwenden
- Alterungsprüfung darf nicht älter als 1 Jahr sein
- Maximale Maschenweite: 10 cm
- Montage möglichst dicht unterhalb der Arbeitsplätze
- Gebrauchsanleitung muss vorliegen
Weitere Hinweise für das Errichten der Schutznetze findet man ebenfalls in den Bausteinen „Sicher Arbeiten“, im Baustein Arbeitsmittel B 102 sowie in der DGUV Regel 101-011 „Verwendung von Schutznetzen“.
Flachdach-Absturzsicherungssysteme
Eine weitere sinnvolle Alternative zum Gerüstbau ist das sogenannte Flachdach-Absturzsicherungssystem – ein aufklappbares Geländer entlang der Dachkante.

Wann ist ein Flachdach-Absturzsicherungssystem notwendig?
Laut DGUV Vorschrift 38:
- ab 1 m bei Treppenläufen und -absätzen, Wandöffnungen, Verkehrswegen
- ab 2 m bei allen anderen Arbeitsplätzen
Bei einer Absturzhöhe bis drei Metern ist bei Arbeitsplätzen und Verkehrswegen auf Dächern und Geschossdecken mit bis zu 22,5° Neigung und nicht mehr als 50m² Grundfläche keine Schutzvorrichtung notwendig, sofern die Arbeiten von hierfür fachlich qualifizierten und körperlich geeigneten Versicherten ausgeführt werden, welche besonders unterwiesen sind und die Absturzkante deutlich erkennen können.
Risiken
Das Flachdach-Absturzsicherungssystem ist eine sichere Schutzvorrichtung, jedoch muss auch hier einiges beachtet werden:
- Fehlende Sicherungsmaßnahmen bei der Montage an der Absturzkante können zu Absturzunfällen führen.
- Auch die Nichteinhaltung der maximalen Abstände tragender Stützen sowie der vorgeschriebenen Ballastierung können zum Versagen des Systems führen.
Schutzmaßnahmen laut BG Bau (Baustein B 104)
- Montage nur durch Fachkundige
- Längere zusammenhängende Abschnitte möglichst an allen Dachkanten montieren, Umsetzen vermeiden
- Bei Wind: System umklappen oder ggf. demontieren
- Systeme nur absturzgeschützt montieren:
→ in mindestens 2,00 m Abstand von der Absturzkante aufbauen und unter dem Schutz des Systems versetzen oder
→ unter Anseilschutz an ausreichend tragfähigen Anschlageinrichtungen
Flachdach-Absturzsicherungssysteme sind nach der Montage und nach dem Umsetzen des Systems von einer "zur Prüfung befähigten Person" zu prüfen. Ebenfalls soll vor Arbeitsbeginn eine Kontrolle durch eine fachkundige Person durchgeführt werden. Insbesondere die Ballastierung soll in Augenschein genommen werden.
Fazit
Ob Fassadengerüst, Hubarbeitsbühne, Schutznetz oder Flachdach-Absturzsicherungssystem – Die Vielfalt der Gerüstarten und alternativen Arbeitsmittel bietet für jede Bauaufgabe die passende Lösung. Dennoch sollten sowohl Unternehmen, als auch Privatpersonen, die gegebenen Sicherheitsvorschriften beachten, um Unfälle zu vermeiden.
Tipp 💡
Um auf der sicheren Seite zu stehen, empfiehlt es sich, den Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (SiGeKo) seines Vertrauens zu konsultieren. Dieser Experte kann umfassend beraten, welche Variante der Sturzsicherung in den jeweiligen Fällen am besten geeignet ist. Durch eine individuelle Einschätzung vor Ort und das Fachwissen des SiGeKo wird sichergestellt, dass alle Sicherheitsanforderungen optimal erfüllt und potenzielle Risiken minimiert werden.
Weiterführende Infos & Quellen
DGUV Regel 101-011 „Verwendung von Schutznetzen“
Bausteine „Sicher Arbeiten“ der BG Bau (B 102, B 104, B 212)
Kommentare